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Ausschnitt aus der Tabula Peutingeriana - Rom

Tabula Peutingeriana – Einzelanzeige

Toponym TP (aufgelöst):

Fluvius Renus (Fluvius Rhenus)

Name (modern):

Rhein/Rhine

Bild:
Zum Bildausschnitt auf der gesamten TP
Toponym vorher
Toponym nachher
Alternatives Bild
Bild (Barrington 2000)
Bild (Scheyb 1753) ---
Bild (Welser 1598) ---
Bild (MSI 2025) ---
Großraum:

Gallien/Germanien

Toponym Typus:

Fluss

Planquadrat:

1A1 / 1A2 / 1A3 / 1A4 / 1A5 / 2A1 / 2A2 / 2A3 / 2A4 / 2A5 / 3A1

Farbe des Toponyms:

schwarz/rot

Vignette Typus :

---

Itinerar (ed. Cuntz):

 

Inschriften (EDCS-ID):
   
   
   
   
   
Alternativer Name (Lexika):

Rhenus [2] (DNP)

RE:

Rhenus

Barrington Atlas:

Rhenus fl. (11 F1)

TIR / TIB /sonstiges:

 

Miller:

Fl´ Renus

Levi:

 

Ravennat:

Rhenus (4, 24)

Ptolemaios (ed. Stückelberger / Grasshoff):

Ῥήνος (2,9,4f.; 2,9,14; 2,9,20; 2,11,1; 2,11,8 f.; 2,12,1; 2,12,5; 8,6,2)

Plinius:

 

Strabo:

 

Datierung des Toponyms auf der TP:

frühe Kaiserzeit (einschließlich Flavier)

Begründung zur Datierung:

Erst durch Caesars Gallischen Krieg rückt der Rhein in den Fokus Roms. Eine entsprechende Aktualisierung der Karte dürfte spätestens in der frühen Kaiserzeit erfolgt sein. Einige Einträge in der Rhein-Region sind aber erheblich späteren Überarbeitungsstufen zuzuordnen (vgl. Kommentar).

Kommentar zum Toponym:

Der Flussname Fl. Renus (auf der TP nicht Rhenus!), erstmals bezeugt bei Caesar (vgl. z.B. Gall. 1, 1, 1-3), ist auf der TP zweimal eingetragen, einmal in roter Schrift direkt am Unterlauf im Mündungsgebiet. Ein zweites Mal ist das Hydronym mit schwarzer Tinte vor der Mündung im Meer eingetragen und auf der dunkelbraun verfärbten, ursprünglich türkisgrünen Wasserfläche daher schwer lesbar. Diese Form der Beschriftung findet sich auch beim Brintesia (3B5), wohl der heutige Brenta, einem Nebenfluss des Po (Padus) und in variierter Form beim Tigris (Hostia Fl. Tygris, 10C4). Der Rhein ist auf der TP von seinem Quellgebiet in den Alpen (Mela 3, 23: Alpes; Tac. Germ. 1, 2: Raeticarum Alpes; nach Ptol. 2, 9, 5. 6; 2, 10, 1; 2, 12, 1; 3, 1, 1: Ἀδούλας ὄρος; vgl. auch Strab. 4, 4, 3 [192]; 4, 6, 6 [204]; 5, 1, 6 [213]; Marcian. peripl. 2, 27. 29; Avien. descr. orb. terr. 431), dem Durchfluss durch den Bodensee (Plin. nat. 9, 63: Lacus Brigantinus, bei den älteren Autoren namenlos, eingetragen ist nur Brigantio/Bregenz und das rätische Grenzkastell Arbor Felix/Arbon, auf der TP keine Binnenbeschriftung lesbar) bis zur Mündung als einer der längsten Flüsse in Europa eingetragen und als ein einziger Strom dargestellt - ohne die beiden Hauptquelläste Vorder- und Hinterrhein. Seine Länge macht den Rhein auf der TP neben der Donau optisch zu einem der längsten Flüsse der Oikumene. Gegenüber dem Nil als den längsten Strom im Süden erscheint der Rhein also als das Gegenstück im Norden. Entsprechende auf diese geographische Vorstellung anspielende Passagen finden sich z.B. in Mart. 4, 11, 7f. und Amm. 15, 4, 2: Letztgenannte Stelle vergleicht den als wilden Gebirgsbach geschilderten Alpenrhein mit dem Nil und seinen Stromschnellen am ersten Katarakt. Dabei stellt Ammianus Marcellinus m.E. nicht, wie Rollinger meint, einen „wohl etwas weit hergeholten Vergleich“ an (Ammianus’ Marcellinus Exkurs, 131), sondern vergleicht entsprechend geläufigen römischen Raum- und Herrschaftsauffassungen zwei Fließgewässer an den äußersten Rändern der bekannten Welt miteinander (vgl. Vergin, Das Imperium Romanum und seine Gegenwelten, 277-283).
Die Quelle des Rheins liegt Caesar zufolge bei den Lepontii (Gall. 4, 10, 3: Rhenus autem oritur ex Lepontiis, qui Alpes incolunt, et longo spatio per fines Nantuatium, Helvetiorum Sequanorum, Mediomatricorum, Tribocorum, Treverorum citatus fertur). Caesar hatte offenbar Kenntnis vom Hochrhein und zwar auch von dessen Abschnitt östlich des Jura und der Aaremündung. Ob er auch den Bodensee kannte, lässt sich diesen Passagen nicht entnehmen. Nach Strabo entspringt der Rhein in der Nähe des Donau-Ursprungs bei den Helvetii am Adula, einem nicht lokalisierbaren Teil der Alpen (Strab. 4, 1, 1 [177]; 4, 3, 3 [192]; 4, 4, 6 [204]; 7, 1, 5 [292]). Andere Autoren verorten die Quelle und den Alpenrhein in einer zerklüfteten und unwegsamen Berglandschaft bei den Raeti, so z.B. Plinius (nat. 3, 135), Tacitus (Germ. 1, 2: Rhenus, Raeticarum Alpium inaccesso ac praecipiti vertice ortus; vgl. auch Avien. 430-434; Amm. 15,4,2: horror squalentium silvarum inaccessum efficit; vgl. dazu Rollinger, Ammianus Marcellinus’ Exkurs, 130f. 138f.; Vergin, Das Imperium Romanum und seine Gegenwelten, 56-52f.; Maier, Widerspenstige Flüsse und hinterhältige Schluchten, 89). Mela (3, 24) charakterisiert das Quellgebiet des Flusses mit Rhenus ab Alpibus decidens „Der von den Alpen herabfließende Rhein“ und ergänzt: „nahe der Quelle bringt er zwei Seen hervor, den Venetum und den Acronius“ (prope a capite duos lacus efficit, Venetum et Acronium), gemeint sind wahrscheinlich der Ober- und der Untersee des Bodensees. Auch die Quelle der Rhône wird in nicht allzu großer Entfernung in den Alpen angesetzt (Plin. nat. 3, 135: fons Rhodani). Ganz pauschal in den Alpes verortet auch Aethicus Cosm. 2, 29 (p. 97) den Rhein-Ursprung.
Nördlich des Hochrheins eingetragen sind die Toponyme Arialbinnum (Basel, mitsamt Distanzangabe zweimal eingetragen!), Augusta Ruracum (A. Raurica/Augst), Vindonissa (Windisch), Tenedo (Tenedum/Bad Zurzach) und Iuliomagus (Schleitheim) im Kanton Schaffhausen sowie im südwestdeutschen Raum Brigobanne (Hüflingen) und Aris Flauis (Arae Flaviae/Rottweil). Die oberrheinische Tiefebene erstreckt sich auf Grund der starken, durch das Format der Pergamentrolle bedingten Ost-West-Streckung, so dass das Rheinknie bei Basel nicht erkennbar ist. Dieser Rheinabschnitt ist gekennzeichnet durch die vergleichsweise aufwändig mit verschiedenartigen Bäumen (dazu Weber, Die Datierungen, 252f.; Rathmann, New Perspectives II, 221f.) gestalteten bewaldeten Bergketten der Vogesen (Silva Vosagus, spätantike Bezeichnung, vgl. Ven. Fort. 1, 7, 4; Greg. Tur. Franc. 1, 10, 10; Fredegar-Chronik 47) und des Schwarzwaldes (Silva Marciana). Das Oronym Silva Marciana ist wohl ebenfalls eine im 4./5.Jh. gebräuchliche, erstmals bei Ammianus Marcellinus bezeugte spätantike Bezeichnung (Amm. 21, 8, 2: Marcianae silvae) des vorher als Abnoba mons bekannten Gebirges (Plin. nat. 4, 79; Tac. Germ. 1, 3; letzter Beleg für Abnoba ist die Weihinschrift für die Göttin Diana Abnoba aus Mühlenbach von 193 n.Chr.). Abnoba war offenbar die kaiserzeitliche geläufige Bezeichnung des Schwarzwaldes. Das bei Ptolemaios (2, 11, 7. 9. 22: Ἄβνοβα ὄρος, Ἀβνοβαῖα ὄρη) genannte Abnoba-Gebirge bezieht sich aber auf den Odenwald und angrenzende Gebirge (Stückelberger/Graßhoff, Klaudios Ptolemaios: Handbuch, 1. Teilband, 225 Anm. 225). Als einziger Zufluss des Rheins findet sich auf der TP der fluvius Musalla (Mosella/Mosel, 2A1).
Auf Grund der erwähnten Verzerrung der kartographischen Darstellung in Ost-West-Richtung nimmt die Rheinmündung mit der insula Batavorum auf der Tabula Peutingeriana einen vergleichsweise großen Raum ein: Die auf der Karte als Patavia bezeichneten Wohngebiete der Batavi werden auf ihrer Südseite vom Fluvius Patabus begrenzt (1A1-2A1), der Caesars Vacalus (Gall. 4, 10, 2) und dem Vahalis bei Tacitus entspricht. Dieser Rheinmündungsarm ist identisch mit der Waal (Wiegels, in: DNP 12/1, 2002, 1073; Ders., in: RGA 35, 2007, 322 s.v. Vada). Dargestellt sind also zwei Mündungsarme, was offenbar dem spätrepublikanisch-kaiserzeitlichen Wissensstand entsprach (Strab. 4, 3, 3 [193] = Asinius Pollio fr. 7 Peter; Mela 3, 24; Verg. 8, 727: Rhenus bicornis; Tac. ann. 2, 6, 4). Noch Caesar hatte offenbar keine genaue Kenntnis der Rheindeltas und spricht unpräzise von mehreren Mündungen: et ubi Oceano adpropinquavit, in plures diffluit partes multis (Gall. 4, 10, 4). Ähnlich vage beschreibt Strabo das Rheindelta (Strab. 1, 4, 3 [63]: αἱ τοῦ Ῥήνου ἐκβολαί; vgl. auch 4, 1, 1 [177]; 4, 5, 1 [199]). Drei Mündungsarme gibt Plinius an (Plin. nat. 4, 101; vgl. auch Ptol. 2, 9, 4; 2, 11, 1).
Die Patavia im Mündungsgebiet des Rheins - der Hauptort ist Noviomagus (auf der TP Nouiomagi, das heutige Nijmegen) - zieht sich mit der Positionierung von Nigropullo (Nigrum Pullum/Zwammerdam) in Südholland und Fletione (wohl das Kastell Fectio/Fectium am Oude Rijn) weit ins Binnenland hinein. Diese Darstellung ist sicherlich ebenfalls der großen Ost-/West-Verzerrung der Landmassen auf der Tabula Peutingeriana geschuldet, die für die Darstellung des geographischen Raumes zwischen Rhein und Küste nicht mehr als einem schmalen Streifen Platz bietet und daher eine extrem langgestreckte Germania Magna zeigt. Zwischen dem Fluss und der Küste nebeneinander aufgereiht und z.T. auch ineinander geschrieben sind mehrere Ethnonyme (z.B. Chauci, Cherusci, Chamavi, Chauci und Alamanni) und das Territorium der Franken (Francia). Bezeichnend für diesen schmalen Streifen zwischen Fluss und Küste ist das Fehlen von Straßen und Städten, das den außerhalb des Römischen Reiches gelegenen germanischen Raum gegenüber Gallien als Teil des Imperium Romanum auf der Westseite des Rheins als unbekanntes und „unzivilisiertes“ Land, als terra incognita am Nordrand der Oikumene, kennzeichnet. So hat auch Strabo nur vage Vorstellungen über diese Regionen: Die nördlichen Germanan wohnen an der Rheinmündung und am Ozean; weiter im Osten, jenseits der Elbe, gehen ihre Siedlungsgebiete über in unbekanntes Land. Über die dortigen Bewohner und ihre Lebensweise hat Strabo nur vage Vorstellungen; er spekuliert, dass in diesem Landstrich von der Elbe zum Schwarzen Meer nomadische Völkerschaften lebten und es auf Grund der Kälte auch unbewohnte Gebiete geben könnte (vgl. z.B. Strab. 7, 2, 4 [294]).
Der Rhein wird von Caesar - entgegen der tatsächlichen ethnischen Verhältnisse - als Grenze zwischen Gallia und Germania und somit zwischen römischen und nicht-römischem Territorium definiert (Gall. 1, 2, 3: Rhenus, qui agrum Helvetium a Germanis dividit; 4, 16, 3: populi Romani imperium Rhenum finire; vgl. auch Gall. 1, 3: Germani, qui trans Rhenum incolunt). Tacitus sieht den Fluss als Demarkationslinie zwischen dem germanischen Raum und dem Imperium Romanum an (Tac. Germ. 1, 1). Folgerichtig sind nur zwei über den Fluss führende Routen auf der Karte eingezeichnet - am Hochrhein der Flussübergang zwischen Vindonissa und Tenedone und am Alpenrhein die Flussquerung bei Ad Renum (Rheineck) an der Strecke von Vindonissa nach Vemania (Isny), wobei das Toponym Brigantio auf der TP falsch platziert ist und zwischen Ad Rhenum und Vemania einzufügen wäre. Die bereits von Caesar im Gallischen Krieg als Machtdemonstration gegenüber seinen germanischen Widersachern 55 v.Chr. errichtete erste Brücke über den Rhein (Caes. Gall. 4, 17, 1-18, 1) findet sich nicht auf der Karte ebensowenig wie der Übergang bei Mogontiacum und die erste bei steinerne Rheinbrücke, die Konstantin 310 bei Köln bauen und durch das rechtsrheinische Kastell Divitia (Köln-Deutz) sichern ließ (Paneg. VI(VII), 11, 3, 6; 13, 1-5: Pons Agrippinensis). Als weitere Flüsse mit der Funktion als Trennlinie zwischen Römischem Reich und den nicht unter römischer Herrschaft stehenden Völkerschaften mit nomadischer Lebensweise (βάρβαροι „Barbaren“) nennt Strabo (17, 2, 24 [839]) auch die Donau (Istros) und den Don (Tanais). Auf der TP eingezeichnet sind einige der wichtigen Garnisonsstandorte am Niedergermanischen Limes in der Germania Inferior wie z.B. - als westlichster Punkt - Lugduno (Lugdunum), Veteribus (Castra Vetera) und Asciburgium sowie Colonia Traiana (Xanten), Novaesio (Novaesium), Agrippina (Colonia Claudia Ara Agrippinensium) als Sitz des Statthalters der Germania Inferior, Bonna und Mogontiacum als Residenz des Statthalters der Germania Superior. Diese Orte mit ihren großen Militärlagern, direkt am Rheinufer gelegen und mit jeweils eigenem Flusshafen ausgestattet, zeigen die herausragende Bedeutung des Rheins als Grenzzone und wichtigste Wasserstraße und Transportachse der Region seit der augusteischen Zeit.
Ebenfalls wichtig für die infrastrukturelle Erschließung des „nassen Limes“ und das linksrheinische Gebiet südlich von Rigomagus (Remagen) ist die dem Rhein entlang bzw. in Flussnähe verlaufende Straße, die über Argentorate (Straßburg) und Arialbinum (bei Basel?, s.u.; zu einer linksrheinischen Lokalisierung vgl. M. Martin, Die römische Zeit am rechten Rheinufer, 75-78. 86-88) den Hochrhein entlang über Augusta Ruracum (A. Raurica/Augst) und Vindonissa (Windisch) in Richtung Bregenz führt.
In den Fokus der griechischen und lateinischen Autoren rückte der Rhein erst mit Caesars Unterwerfung Galliens (58-51 v.Chr.) und den Militärexpeditionen unter Augustus und Tiberius, die den Fluss zur geostrategischen Grenze des Römischen Reiches machten und ihn als Barriere mit hoher Symbolkraft gegenüber den rechtsheinischen nicht dem Reich eingegliederten Germanen auffassten. Der Rhein wird gewissermaßen zum Sinnbild des unterworfenen Germanien (Ov. trist. 4, 2, 43-46; Pont. 3, 4, 88. 97-108). Ebenso wie der Euphrat und der Nil Roms Expansion weit nach Osten und Süden bzw. die Ränder der bekannten Welt repräsentieren, verkörpert der Rhein die Sieghaftigkeit Caesars und der Kaiser der julisch-claudischen und der flavischen Dynastie (vgl. z.B. Catull. 11, 3-5. 8-12; Verg. Aen. 8, 711-728) im Norden; das wiederholt benutzte Motiv des zugefrorenen Rheins (Verg. ecl. 10, 47: frigora Rheni; Stat. silv. 5, 1, 128: pallida Rheni frigora; Herodian. 6, 7, 6; Panegyr. Lat. VI(VII), 6, 4: duratus gelu Rhenus) dokumentiert die räumliche Ausdehnung des Römischen Reiches bis in die eiskalten Grenzregionen der Oikumene, wobei der Rhein selbst mit dem kalten und unzivilisierten Norden assoziiert wird. Das siegreiche Agieren der Kaiser der nach-augusteischen Zeit am Rhein bringt den römischen Machtanspruch zum Ausdruck, stellt den Rückbezug aller kaiserlicher Macht auf den ersten Princeps als zentrales Element herrscherlicher Legitimation her und wurde zum Ideal und Topos kaiserlicher Selbstdarstellung; wie schon bei Caesar diente das Überschreiten des Rheins als Grenze zwischen römischem Gebiet und der terra Germanica der Demonstration der eigenen Stärke.
Dementsprechend ideologisch-propagandistisch aufgeladen sind die antiken Rheindarstellungen in Wort und Bild: Wie andere Fließgewässer auch wird der Rhein als Flussgott aufgefasst, der als alter Mann mit wallenden Haaren und langem Bart als doppelt gehörnt (Verg. Aen. 8, 727: Rhenus bicornis) imaginiert ist. Dabei symbolisieren die beiden Hörner nach spätantiker Auffassung (Serv. Aen. 8, 727) die zwei Mündungsarme, wie auch dem Nil mit seinen sieben Mündungen sieben Hörner zugeschrieben werden (Ov. met. 9, 773). Eine derartige bildliche Darstellung des Rheins wird z.B. bei Octavians dreifachem Triumph 29 v.Chr. in Rom mitgeführt (Verg. Aen. 8, 727). Die abgebrochenen Hörner des Flussgottes bilden symbolisch die Unterwerfung des Rheins im Kontext der militärischen Erfolge in Germanien unter die Herrschaft Roms ab (Ov. trist. 4, 2, 41f.: Rhenus cornibus fractis; vgl. auch Mart. 7, 7, 3). Und bereits unter Caesar wurden „der Rhein, die Rhone und der kriegsgefangene Ozean aus Gold“ dem römischen Volk präsentiert (Flor. 2, 13). Der Rhein galt als „göttliches Wesen“ (numen) neben anderen Göttern Germaniens (Tac. Hist. 5,17). Eine Weihinschrift (CIL 13, 8810) führt den Rhein als Gottheit hinter dem höchsten Gott Jupiter, den väterlichen und den lokalen Göttern an vierter Stelle ( I(ovi) O(ptimo) M(aximo) | dis patriis et | praesidibus huius | loci Oceanique | et Reno; ähnlich auch CIL 13, 8811). Das Reiterstandbild Domitians auf dem Forum Romanum bringt die Unterordnung des Rheins dadurch zum Ausdruck, dass der Huf des Pferdes auf den Haaren des Rhenus rebellis steht (Stat. silv. 1, 1), und Martial (9, 5, 1f.; vgl. auch 2, 2, 3; 2, 2, 6) preist den Kaiser als domitor Rheni. Die spätantiken Panegyriker verbalisieren wie auch schon Martial (9, 1, 3) das Konzept des Rheins, der dem Kaiser in einem Dienstverhältnis unterstellt ist (Panegyr. Lat. VI(VII),13,3; vgl. auch VI(VII),11,1) und im Triumphzug als gefesselter Rhein vorgeführt wird (De laudibus Stilichonis 3, 24. 25: Rhenus catenatus).
Die Zeitstellung der Einträge ist folgendermaßen zu rekonstruieren: Die Einträge entlang des Rheins repräsentieren mehrere Überarbeitungsstufen der Karte mit einer letzten Aktualisierung im vierten oder fünften nachchristlichen Jahrhundert. Die Rheinmündung wurde nicht dem Zugewinn an geographischem Wissen seit dem 1.Jh. v.Chr. angepasst, sondern zeigt Die Darstellung des niedergermanischen Rheinabschnittes auf der TP dürfte in der frühen Kaiserzeit und der flavischen Zeit (Bataver!) aktualisiert worden sein. Die äußerst unbestimmt wirkende Küstenzone spiegelt den hellenistischen Wissenstand wieder und entspricht der Form der Oikumene, wie sie sich aus Eratosthenes rekonstruieren lässt und wie ihn z.B. Strabo (7, 2, 4 [294]) mitteilt. Noch Tacitus (Germ. 1, 1) bezeichnet den Rhein als Trennlinie zwischen Germanien und Gallien, also als „Grenze des römischen Imperiums gegenüber der Barbarenwelt der Germanen“ (Eigler, Einleitende Überlegungen, VII).
Spätantike Aktualisierungen sind in dem mit einer Erläuterung versehenen Ethnonym CHAMAVI QVIELPRANCI (1A1-1A3) direkt über dem Mündungsbereich des Rheins erkennbar: Die Chamavi werden mit den Franci gleichgesetzt, die im 4.Jh. als Nachbarn bezeugt sind (Amm. Marc. 17, 8, 3-5; Auson. Mos. 431-437) und im Panegyr. Lat. VI(VII) (5, 3) aus dem Jahr 310 auf Konstantin. Der Eintrag FRANCIA dürfte nicht vor Ende des 3.Jh. n.Chr. anzusetzen sein, wahrscheinlicher ist die Zuweisung zu einer Kopierstufe des 4.Jh. oder einer noch späteren Überarbeitung der Karte Anfang des 5.Jh., als zunehmende Einfälle der Alamanni und Franci zur Aufgabe des Rheins als Grenzfluss führten. Der obergermanisch-rätische Rheinabschnitt ist wohl einer Überarbeitung im ersten bzw. zweiten Jahrhundert zuzuweisen; die Oronyme Silva Vosagus gegenüber älteren Vosegus Mons (Caes. Gall. 4, 10, 1; vgl. auch Plin. nat. 16, 197; Vibius Sequester [GLM p. 145 Riese]: flum. 2; Lucan. 1, 396; weiter mit Pierre Wuilleumier, in: RE IX A/1, 1961, 922f. s.v. Vosegus 1) und Silva Marciana für älteres Abnoba mons (s.o.) hingegen lassen auf eine spätantike oder frühmittelalterliche Aktualisierung (möglicherweise spätes 6.Jh.) schließen. Der hohen Kaiserzeit zuzuweisen, da zuerst im Itinerarium Antonini bezeugt, sind die Toponyme Arialbinnum (It. Ant. 238, 3. 252, 1: Arialbino) und Arbor felix (It. Ant. 237, 5. 251, 3: Arbore Felice; vgl. für die Spätantike Amm. Marc. 31, 10, 20; Not. Dign. Occ. 35, 34) usw. Der schmale Landstreifen nördlich des Rheins als Darstellung Nordeuropas, das auf diese Weise als terra incognita markiert ist, spiegelt das geographische Wissen (besser gesagt die Unkenntnis) über diesen geographischen Raum wieder und ist dem Archetyp der TP, der „post-Eratosthenes map“ (Rathmann, New Perspectives II, 205), zuzuordnen.
Anders als auf der TP findet sich auf der Ebstorfer Weltkarte eine sehr schematische Darstellung des Rheins (ebenso wie auf der TP mit dem Hydronym Renus bezeichnet) mit den drei Mündungsarmen, wenigen Städten (Koblenz, Mainz und Worms) und der (ersten bekannten) detailreichen Präsentation der Augia insula (Insel Reichenau) mit den drei Klöstern. Am Alpenrhein eingetragen sind Arbona castrum (Arbon) und Constancia (Konstanz), der Bodensee wurde offenbar mit dem Genfer See verwechselt (Lemannus lacus a quo Alamannia dicta est). Etwas wirr ist der Oberlauf des Rheins: Das Hydronym Bicornis fl. ist eine Bezeichnung des Rheins und repräsentiert dessen Quelle zum zweiten Mal; als weitere dem Rhein zugerechnete Flüsse eingezeichnet sind Spira (Speyerbach), Priscus (Breusch) und Araris (Aar), wobei letztgenanntes Hydronym als Zufluss des Rheins vielleicht auf den helvetischen Arurius (Aare) zu beziehen ist. Am Rhein platziert sind Basula c. (Basel) und Turricinum oppidum (Zürich), bei Ganna c. (Genua) mündet er ins Mittelmeer. Der Fluss wurde also mit der Rhône verbunden, die möglicherweise auf Strabos recht verworrener Beschreibung von Rhein, Rhône und Saône basiert (4, 1, 11 [186]; 4, 2, 3-3, 2 [191f.]): Ihm zufolge entspringt die Rhône in den Alpen, durchfließt den Genfer See (Lemannus Lacus) und vereinigt sich mit dem Arar (4, 1, 11 [186]: ὁ Ροδανός, ὁ Ἄραρ / Ἄραρα), um dann ins Mittelmeer zu münden. Allerdings beschreibt Strabo diese Region (Strab. 4, 1, 1f. [177]: ἡ ὑπὲρ τῶν Ἄλπεων Κελτική) als ein von zahlreichen Flüssen durchströmtes Gebiet, was den Warentransport von einem Meer zum anderen erleichtere; eine direkte Verbindung dieser Wasserwege setzt er jedoch nicht voraus, vielmehr seien einige Streckenabschnitte auch auf dem Landweg zu überwinden. Unter dem als silua vaseus (Vogesen) gekennzeichneten Gebirgszug ist die Rhône mit dem Zufluss (hier Saona anstatt Arar) ein zweites Mal dargestellt: Am Oberlauf sind das nicht weit vom Genfer See und dem Großen St. Bernhard entfernte im Rhône-Tal gelegene Mauricius-Kloster (Monasterium Sancti Mauricii) und Lugdunum an der Einmündung des Arar in die Rhône prominent dargestellt. Die Verknüpfung der beiden Flusssysteme von Rhein und Rhône geht offenbar auf antike Vorlagen zurück (insbesondere auf Strab. 4, 3, 2 [192]), denn sie ist bereits bei Julius Honorius im 5.Jh. n.Chr. bezeugt (22B [p. 37 GLM Riese]: Bicornius fluvius, Rhenus; 23A (p. 38 GLM Riese]: Fluvius Bicorni; vgl. auch Aethicus, Cosm. 1, 22 [p. 81 Riese): fluvius Rhenus; 23 [p. 82 Riese]: Fluvius Bicornius; 2, 21 [p. 95 Riese]): Sowohl Julius Honorius als auch Aethicus verbinden den Rhein und die Rhône durch den Araris, dieser Fluss heiße in Germania Rhenus, und die folgenden weiter flussaufwärts gelegenen Abschnitte würden Bicornis und Araris genannt (Decourt/Lucas, 120-123). Der große Strom verbinde das Batavische mit dem Tyrrhenischen Meer und fließe so langsam, dass die Fließrichtung nicht erkennbar sei. Die Mauricius-Abtei hat zwar spätantike Vorgängerbauten (5./6.Jh.), verdankt ihre Visualisierung auf der Ebstorfer Weltkarte aber wohl ihrem enormen Bedeutungszuwachs als Verehrungsstätte für den Soldatenmärtyrer Mauritius seit der karolingischen Zeit. Mit der geographischen Lage dieses Bauwerkes zu verbinden sind die beiden oberhalb der Vogesen eingetragenen Regionen Burgundia superior direkt an den Alpen und Agaunensium regio. Letztgenannte Bezeichnung basiert auf dem antiken Ortsnamen Acaunus (das heutige Saint-Maurice d’Agaune) und bezieht sich auf die Region am Oberlauf der Rhône (Miller, Die Ebstorfkarte, 32. 33. 35; Kugler/Glauch/Willing, Die Ebstorfer Weltkarte 1, 290). Das Mauritiuspatrozinium dürfte somit am ehesten eine frühmittelalterliche Tradition wiederspiegeln. Ebenso sind spätere (früh?-)mittelalterliche Aktualisierungen an der Darstellung der Reichenau auf der Ebstorfer Weltkarte ablesbar, die für die kirchliche Organisation und die Ausbreitung des Mönchtums wichtige Orte und prominente Klöster herausstellen. - Vgl. auch Chamavi qui et Franci, Alamannia, Marcomanni, Nouiomagi, Patavia, Fluvius Patabus, Francia, Veteribus (Castra Vetera), Vindonissa, Tenedone, Brigantio, Silva Vosagvs, Silva Marciana, Fluvius Mvsalla, Fluvius Brintesia, Ostia Fluminis Rhodani (Rhône-Mündung), Hostia Fluminis Danubii, Hostia Fluminis Tygris.

PK+MS: Das sw-Bild bitte ersetzen durch ein farbiges Bild, denn vor der Mündung im Meer ist der Flussname in Schwarz eingetragen, am Unterlauf im Mündungsgebiet hingegen in Rot. Bitte ebenfalls den Ausschnitt aus dem Barrington-Atlas ersetzen: Es sollte auch die Rheinmündung zu sehen sein. Danke!


DNP:
Rhenus
[2] Europäischer Fluß, h. Rhein

Europäischer Fluß, h. Rhein (Ῥῆνος; kelt. Renos), den Römern erst durch Caesar näher bekannt, von ant. Geographen, Historikern und Dichtern als Naturobjekt und wegen seiner polit., wirtschaftlichen und mil. Bed. hervorgehoben.

Wiegels, Rainer (Osnabrück)

I. Geographie

Nach Caes. Gall. 4,10,3 entspringt der Rh. bei den Lepontii, nach Strab. 4,3,3 und 4,6,6 bei den Helvetii am Adula (einem unbestimmten Teil der Alpes), nach Plin. nat. 3,135 und Tac. Germ. 1,2 (vgl. Avien. 430-434; Amm. 15,4,2) bei den Raeti. Unweit lokalisierte man auch die Quellen von Rhodanus (Rhône) und Istros [2] (Donau). Von dort ergießt sich der Rh. in den Lacus Brigantinus (Bodensee; vgl. Strab. 4,3,3; 7,1,5, vgl. 7,5,1; Mela 3,24). Die Gesamtlänge des Rh. wird mit 550 bis 1100 km in den ant. Quellen zu gering (tatsächlich 1320 km), die Verlaufsrichtung vielfach ungenau angegeben. Hervorgehoben werden das starke Gefälle (vgl. Caes. Gall. 4,10,3; 17,2; Strab. 4,3,3 f.; Tac. ann. 2,6,4; Amm. 15,4,2), erwähnt werden Strudel und Untiefen (Cic. Pis. 81) sowie das Zufrieren (vgl. Herodian. 6,7,6; Paneg. 6,6,4). Bis zur Regulierung im 19. Jh. hat der Fluß sein Bett v. a. im Bereich von Ober- und Niederrhein mehrfach verändert. Die Zahl der Mündungsarme wird verschieden angegeben. Vergil (Aen. 8,727) spricht vom Rh. bicornis, “zweifach mündenden Rh.”, was häufig aufgegriffen wurde. Die fossa (“Kanal”) Drusiana (Tac. ann. 2,81; vgl. Suet. Claud. 1,2: fossae Drusinae) verkürzte den Weg in die Nordsee über das Mündungsgebiet von Amisia [1] (Ems) und Albis (Elbe). Unter Kaiser Claudius baute 47 n. Chr. Domitius [II 2] einen Kanal zw. Rh. und Mosa [1], um die Überfahrt nach Britannia zu erleichtern, aber auch um die Soldaten zu beschäftigen (Tac. ann. 11,20,3; vgl. Cass. Dio 60,30,6).

Wiegels, Rainer (Osnabrück)

II. Geschichte

In vorröm. Zeit war der Rh. keine Völkerscheide. Erst Caesar definierte ihn als polit. Grenze zw. Gallia und Germania (Germani), obwohl die ethnischen Verhältnisse dem nicht entsprachen. Der zweimalige Brückenschlag 55 und 53 v. Chr. (Caes. Gall. 4,17-18; 6,9,1-5; 29,2-3) diente der Machtdemonstration. Unter Octavianus bzw. Augustus wurden german. Stämme auf das linke Ufer des Rh. übergesiedelt: ut arcerent, non ut custodirentur (“damit sie eine Schutzfunktion erfüllten, nicht zu ihrer Überwachung”, Tac. Germ. 28 über die Ubii). Über die Völker am Rh. z.Z. Caesars informiert v. a. Caes. Gall. 4,10, danach ist bis z.Z. des Tiberius Strab. 4,3,3 f. wichtige Quelle. Vorübergehend wurde der Rh. Aufmarschlinie für die röm. Feldzüge in das Gebiet der Germania Magna, nach Aufgabe der Eroberungskriege blieb er nördlich des Vinxtbachs, der Grenze zw. dem ober- und dem niederrheinischen Gebiet, im wesentlichen Grenzfluß. Jedoch wurden die Nordseeküste und das rechtsrheinische Vorfeld mil. kontrolliert und genutzt. Trotz Aufständen der Frisii und Chauci sowie Plünderungszügen von Germanen nach Gallia (Tac. ann. 4,72-74; Suet. Tib. 41,1; Tac. ann. 11,18-20) verzichtete Rom hier auf weiträumige Eroberungen. Der Bataveraufstand 69/70 n. Chr. und die starken Zerstörungen am Rh. blieben Episode.

Am Hochrhein wurde die Grenze unter Claudius [III 1] vom Rh. an die Donau (Istros [2]) vorgeschoben; das von Rom überwachte rechte Vorfeld an Mittel- und Oberrhein wurde in flavischer Zeit (69-96 n. Chr.) dem Reich einverleibt und mil. gesichert ( decumates agri ). Mit dem Fall des Limes um 260 n. Chr. gingen diese Gebiete wieder verloren, der Rh. war erneut Grenzfluß mit einigen Brückenköpfen (unter anderem Lopodunum; Mogontiacum; Divitia). Zunehmende Einfälle von Alamanni und Franci führten Anf. des 5. Jh. n. Chr. zur Aufgabe des Rh. als Grenzfluß.

Seit augusteischer Zeit war die Rheinlinie durch Lager und Kastelle stark gesichert, die bes. die rechtsrheinisch mündenden Flüsse und Einfallwege aus der Germania Magna überwachten (u. a. Nicer; Moenus; Lupia). Eine Rheinflotte war schon an den Eroberungsfeldzügen der augusteischen und frühtiberischen Zeit beteiligt. Später sicherte die classis Germanica mit Stützpunkten u. a. in Mogontiacum, Colonia Agrippinensis (Köln) und Fectio (Vechten) den Flußverkehr, erlangte aber in der Spätant. größere mil. Bed. (vgl. Zos. 3,6,2; Paneg. 6,13,2; Amm. 17,1; 18,2). Neben Schiffsbrücken überspannten Brücken unterschiedlicher Konstruktion den Rh. (einige auf Steinpfeilern). Als Verkehrsweg war der Rh. von großer wirtschaftlicher Bed., der dementsprechend von Schiffen zu zivilen und mil. Versorgungszwecken neben und unabhängig von der befestigten, den Rh. begleitenden Straße intensiv genutzt wurde.

Wiegels, Rainer (Osnabrück)

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21.03.2023 18:45


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