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Ausschnitt aus der Tabula Peutingeriana - Rom

Tabula Peutingeriana – Einzelanzeige

Toponym TP (aufgelöst):

Octoduro

Name (modern):

Martigny

Bild:
Zum Bildausschnitt auf der gesamten TP
Toponym vorher XII     Tarnaias     
Toponym nachher XXV     In summo Pennino     
Alternatives Bild ---
Bild (Barrington 2000)
Bild (Scheyb 1753) ---
Bild (Welser 1598) ---
Bild (MSI 2025) ---
Großraum:

Gallien/Germanien

Toponym Typus:

Ortsname ohne Symbol

Planquadrat:

2A3 / 2B3

Farbe des Toponyms:

schwarz

Vignette Typus :

---

Itinerar (ed. Cuntz):

Octoduro (351,5)

Alternativer Name (Lexika):

Octodurus (DNP)

RE:

Octodurus

Barrington Atlas:

Octodurus/Forum Claudii Vallensium (17 I1)

TIR / TIB /sonstiges:

 

Miller:

Octoduro

Levi:

 

Ravennat:

Octodorum (p. 63.13)

Ptolemaios (ed. Stückelberger / Grasshoff):

Ὀκτόδουρον (2,12,5)

Plinius:

 

Strabo:

 

Datierung des Toponyms auf der TP:

Römische Republik

Begründung zur Datierung:

Die Quellenlage - früheste Erwähnung des Toponyms bei Caesar (s. Kommentar) legt die Aktualisierung der Karte an dieser Stelle im 1. Jh. v.Chr. nahe, auch wenn die meisten Belege der Kaiserzeit zuzuweisen sind.

Kommentar zum Toponym:

Der auf der TP mit dem Toponym Octoduro (Octodurus) bezeichnete Ort, ein keltischer vicus, ist erstmals im Bellum Gallicum von Caesar als Hauptort der Veragrer (Veragri) und Schauplatz der Schlacht gegen die Gallier 57 v.Chr. erwähnt (Caes. Gall. 3, 1, 4: vico Veragrorum, qui appellatur Octodurus). Nachdem Augustus den Summus Poeninus (Großer St. Bernhard) für den Durchzug der römischen Truppen gesichert und in diesem Zusammenhang auch die Stationen Augusta Praetoria (Aosta) und Octodurus militärisch befestigt hatte (24 v.Chr.), begann der Ausbau der Passstraße. Ein wohl auf der Passhöhe gesetzter Meilenstein aus der Zeit Konstantins des Großen gibt die Entfernung nach Forum Claudii, also Octodurus, mit 24 Meilen an (CIL XII 5519: F C VAL XXIIII) und weicht damit nur geringfügig von der in der Tabula Peutingeriana angegebenen Distanz von 25 Meilen (36, 9 km) ab. Als Ort am Fuß des Alpenpasses gewann Octodurus somit schnell an Bedeutung. Älteste Siedlungsspuren datieren in die augusteische Zeit, auch ein Tempel wurde bereits in dieser Zeit errichtet. Unter Claudius erfolgte in unmittelbarer Nähe die Neugründung Ortes als Forum Claudii Augusti mit latinischem Recht, das als Hauptort der neuen Alpenprovinz Vallis Poenina (zeitweise vereinigt mit der Provinz Alpes Graiae) und Statthaltersitz fungierte; vgl. CIL XII 5522 (308-312 n.Chr.?): F(orum) C(laudii); CIL 5525 (Maximian, 305/06): F(orum) C(laudii) A(ugusti). Die Neugründung wurde mit dem Marktrecht ausgestattet und zur civitas Vallensium erhoben; vgl. HM 147 = CIL XIII 5006 = RIS 1, 45 = Genava 101= Wiblé, in: Vallesia 33, 43 J (2.Jh. n.Chr.): civitas Vallinsa; Not. Gall. 10, 2 p. 268: civitas Ualensium, Octodurum (var. Ualentium, Uallensium; var. Octodonum, Uctodorum, Orcodorus, Uctodoro, Iunctudoro, Iunctadoro). Noch im Laufe des 1.Jh. n.Chr. erhielt der Ort den Namen Forum Claudii Vallensium. Unter dieser, in der Regel abgekürzten Bezeichnung ist der Ort auch epigraphisch bezeugt, wobei folgende Abkürzungen gebräuchlich waren:
- F(orum) C(laudii) VALL(lensium) OCT(odurus): CIL XII 5523 (Licinianus Licinius, 307-323)
- F(oro) Cl(audii) Val(lensium): CIL XVII/2, 111 = CIL XII 5520 = Walser, Die röm. Straßen in der Schweiz 1, 27 Nr. 3 = Wiblé, in: Vallesia 33, 38f. Nr. 67 (Diokletian und Maximian, 293-305); CIL XVII/2, 110 = CIL XII 5521 = Walser, Die röm. Straßen in der Schweiz 1, 26 Nr. 2 = Wiblé, in: Vallesia 33, 38 Nr. 66 (308-312 n.Chr.); CIL XVII/2, 112 (301-400 n.Chr.); CIL XII 5524 = Wiblé, in: Vallesia 33, 39 Nr. 72 (Trajan, 99 n.Chr.);
- F(oro) Cl(audiensibus) Vallensibus: CIL XVII/2, 112a = Wiblé, in: Vallesia 33, 39 Nr. 68 (286-324 n.Chr.);
- F(oro) Cl(audiensibus) Vallensibus: AE 1977, 527 = AE 1982, 674 = Wiblé, in: Vallesia 33, 35 Nr. 47 (B) (253 n.Chr.).
Die Einwohner nannnten sich
- Octodurenses (Plin. nat. 3, 135);
Fo[roclaudi]en[ses]: AE 1985, 653 = CIL XII 105, 8f. = Walser, Die röm. Straßen in der Schweiz 3, 90f. Nr. 288 = Wiblé, in: Vallesia 33, 34 Nr. 44 (107/08 n.Chr.);
- Foroclaudienses Vallenses: AE 1987, 75 = AE 1898, 98 = Walser, Die röm. Straßen in der Schweiz 3, 56f. Nr. 271 Wiblé, in: Vallesia 33, 33 Nr. 36 (198-300 n.Chr.).
Auch nach der Umbenenung des Ortes in Forum Claudii Vallensium blieb der Name Octodurus weiterhin in Gebrauch (vgl. Ptol. 2, 12, 5: Ὀκτόδουρον; Rav. Cosm. 4, 26; Octodurum). Diese neue Siedlung wuchs rasch zu einer stadtähnlichen Siedlung heran und erlebte auf Grund seiner Lage am Großen St. Bernhard und der über den Alpenübergang führenden Handelswege bereits im 1.Jh. n.Chr. eine Blütezeit. In späterer Zeit wurde offenbar auch die Bezeichnung civitas Vallensium gebräuchlich.
Von dem Wohlstand zeugen das bereits nach kurzer Nutzungsdauer komplett neu angelegte Forum und repräsentative Villen, wie z.B. das Peristylhaus in insula 13 mit Baderaum nahe der Basilica und des Forums, ausgestattet u.a. mit zwei als Torsos erhaltenen Statuen des Apollo Citharoedus (1. Jh. n.Chr.) und des Herkules (2.Jh. n.Chr., hadrianische Zeit) aus Werkstätten im Mittelmeerraum (Baumer / Wiblé, La béauté du corps). Im 2. und 3.Jh. n.Chr. wurden ein kleines Amphitheater, mehrere Tempel und eine Brunnenanlage (nymphaeum) mit Wasserleitung neu errichtet, auch private und öffentliche Bauten wurden restauriert bzw. erneuert wie z.B. die Thermen. Wohl im 3. oder 4.Jh. wurden die Straßen mit Steinplatten ausgestattet; in einer Zeit verbreiteter Krisenphänomene erfreute sich der Ort also weiterhin eines gewissen Wohlstandes. In der zweiten Hälfte des 4.Jh. entstand der erste christliche Sakralbau. In dieser Zeit ist mit Theodor (Theodul) durch seine Unterschrift auf dem Konzil von Aquileia im Jahr (3.9.381) erstmals ein Bischof in Octodurus bezeugt: Theodorus episcopus octodorensis (PL 16, 395). Theodor gehörte zum Kreis des Ambrosius von Mailand wie auch wahrscheinlich zunächst die kirchliche Organisation im Wallis auf Mailand ausgerichtet war, bis sich dann im frühen 6.Jh. das Bistum Octodurum von Mailand löste und die Eingliederung ins Erzbistum Vienne erfolgte. Im 5.Jh. ersetzte eine Bischofskirche das Kirchengebäude aus dem 4.Jh.; dieser Baukomplex, mit Spolien aus den Kultbauten der römischen Siedlung ausgestattet, wurde offenbar zum neuen Zentrum des Ortes. Octodurus war ein Absatzmarkt für höherpreisige Importwaren (Amphoren aus Afrika, 5.Jh.), es gab dort also weiterhin eine teilweise finanzkräftige Einwohnerschaft. Zwischen 549 (Akten des Konzils von Orléans) und 585 (Akten des Konzils von Mâcon) wurde der Bischofssitz wegen der Langobardeneinfälle seit 570, eventuell auch wegen der Streitigkeiten zwischen dem Bischof von Octodurus und der Abtei St. Maurice, nach Sitten verlegt (Ewig, Die Merowinger, 115; Kaiser, Ring des Graifarius, 278f.). Auch wenn die hohen Kleriker in ihren Konzilsunterschriften in der Regel Sitten als ihre sedes angaben, blieb ein gewisser Bezug zu der civitas Vallensium erhalten - erkennbar etwa in der Unterschrift des Bischofs Leodomundus auf dem Konzil von Paris 614: Ex ciuitate Uallesse Leodomundus episcopus (MGH Conc. I 191; vgl. Anton, Studien zu den Klosterprivilegien, 130f.). Octodurus verlor daraufhin seine zentrale Stellung im Wallis. Die abnehmende Bedeutung des Fernhandels über den Summus Poeninus führte gegen Ende des 6.Jh. zum Zerfall des Ortes in mehrere kleinere Siedlungen oder Weiler. - Vgl. auch Insummo Pennino· und Augusta Pretoria.

Literatur:

Miller, Itineraria, Sp. 75; Peter Goessler, in: RE XVII / 2, 1937, 1868-1877 s.v. Octodurus; Heinrich Büttner, Zur frühen Geschichte des Bistums Octodurum-Sitten und des Bistums Avenches-Lausanne, in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte /Revue d’histoire ecclésiastique suisse 53, 1959, 241-266; Hans Hubert Anton, Studien zu den Klosterprivilegien der Päpste im frühen Mittelalter. Unter Berücksichtigung der Privilegierung von St. Maurice d’Agaune, Berlin 1975 (= Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 4), 130-132; Regula Frei-Stolba, Die römische Schweiz. Ausgewählte staats- und verwaltungsrechtliche Probleme im Frühprinzipat, in: ANRW II 5 / 1, 1976, 288-403, hier 379-384; François Wiblé, Inscriptions latines du Valais antique, in: Vallesia 33, 1978, 31-53; Gerold Walser, Martigny als römische Strassenstation, in: Helvetia Archaeologica 19, 1979, 141-156; Gerold Walser, Zwei Kaiserinschriften aus dem Wallis, in: Vallesia 35, 1980, 121-125, hier 124f.; François Wiblé, Forum Claudii Vallensium. La ville romaine de Martigny, Martigny 1981 (= Guides archéologiques de la Suisse 17); Jean-Louis Maier, Genavae Augustae. Les inscriptions romaines de Genève, Genf 1983; François Wiblé, FORUM CLAUDII VALLENSIUM. Das römische Martigny, in: Antike Welt 14 / 2, 1983, 2-32; Gerold Walser, Römische Militärinschriften vom Großen St. Bernhard, in: Archäologie der Schweiz 6, 1983, 15-29, hier 15f.; Walter Drack / Rudolf Fellmann, Die Römer in der Schweiz, Stuttgart 1988, 435-443; François Wiblé, L’amphithéâtre romain de Martigny (Valais Suisse), avec des contributions de Antoine Lugon et Claude Olive, Fondation Pro Octoduro, Martigny 1991; Hans-Jörg Lehner / François Wiblé, Martigny VS: De la première cathédral du Valais à la paroissiale actuelle: la contribution de l’archéologie, in Helvetica archaeologica 25, 1994, 51-68; François Wiblé, Le mithraeum de Forum Claudii Vallensium/Martigny (Valais), in: Archäologie der Schweiz 18, 1995, 1-15; Guido Faccani / Hans-Rudolf Meier, Vom römischen Vorstadtbau zur römischen Bischofs- und Pfarrkirche, in: Vallesia 51, 1996, 243-270; Hans-Jörg Lehner / François Wiblé, L’église paleochretienne double de Martigny (Valais/Suisse), in: Antiquité tardive 4, 1996, 104-109; Olivier Paccolat, La maison de l’angle sud de „l’insula 1“ du Forum Claudii Vallensium (Martigny), in: Annales Valaisannes, 1996, 159-216; Noël Duval, L’église de Martigny (Valais): une nouvelle cathédrale double?, in: Bulletin Monumental 1997, 151-153; Gerold Walser, Zu den Römerstraßen in der Schweiz: die capita viae, in: MH 54, 1997. 53-61; Herbert Graßl, in: DNP 8, 2000, 1102 s.v. Octodurus; Guido Faccani, Martigny in spätantiker und frühmitelalterlicher Zeit, in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 59, 2002, 169-176; François Wiblé, Martigny/Octodurus (Suisse), in: Supplément à la Revue archéologique du centre de la France 25, 2004, 451-456; Eugen Ewig, Die Merowinger und das Frankenreich, Stuttgart 2006 (5. Aufl.), 115; François Wiblé, Forum Claudii Vallensium, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 21.10.2009, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/037227/2009-10-21/, zuletzt abgerufen am 24.03.2022; Georges Descoedres / Simonetta Biaggio Simona / François Wiblé, Von den Göttern zu Gott: Die Anfänge des Christentums, in: Archäologie der Schweiz 33/2, 2010, 50-55; Reinhold Kaiser, War der Ring des Graifarius der Siegelring des Vaefarius dux Francorum?, in: Hagen Keller/Nikolaus Staubach (Hrg.), Iconologia sacra. Mythos, Bildkunst und Dichtung in der Religions- und Sozialgeschichte Alteuropas. Festschrift für Karl Hauck zum 75. Geburtstag, Berlin 1994 (= Arbeiten zur Frühmittelalterforschung 23), 263-282, hier 278f.; François Wiblé, Conservation du patrimoine archéologique valaisan: les vestiges de la ville de Forum Claudii Vallensium mis en valeur à Martigny (Valais, Suisse), in: Xavier Delestré / François Wiblé (Hrg.), La valorisation des sites archéologiques. Actes du colloque international de Martigny (Suisse), 9-11 septembre 2011, Lausanne 2012 (= Cahiers d’archéologie romande 134/Archaeologica Vallesiana 10), 41-59; Lorenz E. Baumer / François Wiblé, La béauté du corps dans l’Antiquité grecque à Martigny-La-Romaine, in: Ian Jenkins/Victoria Turner (Hrg.), La béauté du corps dans l’Antiquité grecque, Catalogue d’exposition, en collaboration avec le British Museum, Londres. Fondation Pierre Gianadda, Martigny, 28 février-9 juin 2014, Martigny 2014, 341-371.

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Letzte Bearbeitung:

06.08.2024 17:51


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