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Ausschnitt aus der Tabula Peutingeriana - Rom

Tabula Peutingeriana – Einzelanzeige

Toponym TP (aufgelöst):

Hic cenocephali nascuntur

Name (modern):

 

Bild:
Zum Bildausschnitt auf der gesamten TP
Toponym vorher
Toponym nachher
Alternatives Bild ---
Bild (Barrington) ---
Großraum:

Ägypten/Nil/Äthiopien

Toponym Typus:

chorographische Information

Planquadrat:

8C5

Farbe des Toponyms:

rot

Vignette Typus :

---

Itinerar (ed. Cuntz):

 

Alternativer Name (Lexika):

 

RE:

 

Barrington Atlas:

 

TIR / TIB /sonstiges:

 

Miller:

Hic cenocephali nascuntur

Levi:

 

Ravennat:

 

Ptolemaios (ed. Stückelberger / Grasshoff):

 

Plinius:

 

Strabo:

 

Datierung des Toponyms auf der TP:

Späthellenismus (nach 200)

Begründung zur Datierung:

Die Verortung der Hundsköpfigen in Ostafrika ist erstmals von Artemidor, eventuell auch einige Jahrzehnte früher bei Eratosthenes bezeugt, der Eintrag auf der Tabula Peutingeriana ist demzufolge einer späthellenistischen Überarbeitung der Karte zuzuweisen.

Kommentar zum Toponym:

Die Hundsköpfigen sind seit Herodot (4, 191) als eines der Spezifika für den zentralasiatischen Raum bezeugt. Herodot verortet die Hundsköpfigen in Indien (vgl. auch Plin. nat. 7, 23; Gell. 9, 4, 9f.), die spätere antike Gleichsetzung Indiens mit Äthiopien führt zuweilen zur „Verpflanzung“ der Hundsköpfigen nach Ostafrika und zu Verdoppelungen von Völkerbeschreibungen (ähnliche Ethnien in Indien und Afrika). Die Platzierung der Legende auf der Tabula Peutingeriana in Ostafrika dürfte auf Artemidor (Strabo 16, 4, 14 [774]: κυνοκεφάλοι) basieren, der die Hundsköpfe an einem als „Horn des Südens“ (Νότου κέρας; vgl. auch Ptol. 4, 7, 11: Νότου κέρας ἄκρον „Horn des Südens, ein Kap“) bezeichneten Vorgebirge (Kap Guardafui) platziert und dort mit dem Hinweis auf fehlende Verzeichnisse auf Siedlungen und Hafenplätze die bekannte Welt enden lässt. Artemidor im Zitat bei Strabo (16, 4, 16f. [775f.] = Artemidor fr. 98 Stiehle) bringt die κυνοκεφάλοι, eine Affenart, mit dem Siedlungsgebiet der Trogodyten (Τρωγοδυτική), also der Ostküste des Roten Meeres von Clysma (Suez) bis zum Bab al-Mandab (vgl. Plin. nat. 2, 178. 185; 6, 164. 167f.; Diod. 3, 38, 4), in Verbindung und verortet sie östlich von Meroë (Plin. nat. 6, 184). Im Kommentar zur Stelle verwechselt Brodersen (C. Plinius Secundus d. Ä., Naturkunde. Lateinisch-deutsch, Buch VI, 243) das meroitische Nabata bzw. das Ethnonym Nobatae, das aber erst in der Spätantike durch Prokop als neue politische Macht nach dem Untergang von Meroë bezeugt ist, oder einfach „Nubier“ (vgl. Lohwasser, in: Johne, Die Zeit der Soldatenkaiser, 575 Anm. 22) mit den in Plin. nat. 6, 144 genannten Nabatäern. An anderer Stelle, basierend auf Eratosthenes, nennt Strabo als Bewohner der Westküste des Roten Meeres auf der Höhe von Meroë die Trogodyten (Strab. 17, 1, 2 [786] = fr. III B 51 Berger; Plin. nat. 6, 181. 189) und weiter im Süden die Megabarer und Blemmyer. Entsprechend ist auch bei Plinius eine nach den Trogodyten benannte Wasserstelle als Station auf der Route von Koptos durch die ägyptische Ostwüste zu dem Rotmeerhafen Berenike bezeugt (nat. 6, 103: Hydreuma Trogodyticum, die Plinius aber auch unter dem Namen Hydreuma Novum kennt. Der Hafenplatz Berenike ist auch als Berenike Trogodytike bekannt.
Die Kynokephaloi sind als auffällige Parallele zu den Alexander-Erzählungen auch im Testament Salomos bezeugt (TSal 10; vgl. P. Busch, Das Testament Salomos, 38f.). Laut Eratosthenes siedeln zwischen dem Nil und dem Roten Meer die Blemmyer (Strabo 17, 1, 2 [786] = fr. III B 51 Berger), die also möglicherweise später mit den cenocephali gleichgesetzt wurden. In den mittelalterlichen Alexanderlegenden werden u.a. Skythen, Parther, Alanen, Hunnen, Türken und Mongolen als Hundsköpfige bezeichnet. Die mittelalterlichen Karten zeigen die Kynokephalen an unterschiedlichen Stellen: Oftmals werden sie der Aethicus-Tradition folgend in Nordeuropa angesiedelt. Die Cottoniana verortet sie in Westafrika (Mauretanien), die Herefordkarte in Nordeuropa und im Norden Indiens am Hypanis (wobei die letzteren als Gigantes bezeichnet werden). Auf der Ebstorfer Weltkarte sind die cynocephali (Cenocefali) oberhalb der Altäre Alexanders in Indien angesiedelt; die Legende folgt Isidor etym. 11, 3, 15 (vgl. Kugler / Glauch / Willing, Die Ebstorfer Weltkarte 2, 99 Nr. 12/1. 123. 189). Die Form Ceno⟨ce⟩ofali (var. cinozefali) erscheint z.B. auch in einem lateinisch abgefassten Bestiarium, entstanden kurz nach der der Mitte des 12. Jahrhunderts (W.B. Clark, A Medieval Book of Beasts, 133 [Kapitel 14]) und im etwa zeitgleich (um 1265) anzusetzenden Troja-Roman des Benoît (U. Schöning, Thebenroman - Eneasroman - Trojaroman, 206: RTr., V. 13364f.; B. Gebert, Mythos als Wissensform, 484). Das Ethnonym cenocephali auf der Tabula Peutingeriana ist also als eine dem mittellateinischen Sprachgebrauch entsprechende Form zu werten. Gerade die cynocephali als monströse, in ihrem äußeren Erscheinungsbild (teilweise tiergestaltig, fehlende oder mehrfach vorhandene Gliedmaßen oder Organe, doppelgeschlechtlich) von der Norm eklatant abweichende, furchterregende Menschen spielen in der christlichen Mission der Spätantike und des Mittelalters eine besondere Rolle: Als Hundsköpfige bezeichnet werden Heiden und Juden, daher ist ihre Konversion für die Christen ein besonderer Triumph (Friedman, The Monstrous Races, 58-86 u.ö.). - Vgl. auch zu Pernicide portum·

Literatur:

Miller, Itineraria, Sp. 879; Curt Th. Fischer/Otto Wecker, in: RE XII/1, 1924, 24-26 s.v. Kynokephaloi; Karl Jahn, in: RE VII A/2, 1943-1948, 2497-2500 s.v. Trogodytai; Udo Schöning, Thebenroman - Eneasroman - Trojaroman. Studien zur Rezeption der Antike in der französischen Literatur des 12. Jahrhunderts, Tübingen 1991 (= Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie 235), 206; David G. White, Myths of the Dog-Man, Chicago 1991, 47-67; Kai Brodersen, Darmstadt 1996, 243; John B. Friedman, The Monstrous Races in Medieval Art and Thought, Syracuse 2000 (2. Aufl.), 58-86 u.ö.; Peter Busch, Das Testament Salomos. Die älteste christliche Dämonologie, kommentiert und in deutscher Erstübersetzung, Berlin 2006, 160-166; Willene B. Clark (Hrsg.), A Medieval Book of Beasts. The Second-Family Bestiary: Commentary, Art, Text and Translation, Woodbridge 2006, 133 [Kapitel 14; Hartmut Kugler / Sonja Glauch / Antje Wiling, Die Ebstorfer Weltkarte, Band 2, Berlin 2007, 99. 123; Angelika Lohwasser, Das meroitische Reich und die Blemmyer, in: Klaus-Peter Johne (Hrg.), Die Zeit der Soldatenkasier. Die Transformation des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n.Chr. (235-284), Berlin 2008, 571-580; Sabine Müller, Das hellenistische Königspaar in der medialen Repräsentation. Ptolemaios II. ind Arsinoe II., Berlin 2009 (= BzA 263), 92. 317. 320f.; Jason R. Berg, ‘Breasts of the North’ and other Apocalyptic Imaginary in the Cosmographia of Aethicus Ister, in: Veronika Wieser / Christian Zolles / Catherine Feik / Martin Zolles / Leopold Schlöndorff (Hrsg.), Abendländische Apokalyptik. Kompendium zur Genealogie der Endzeit, Berlin 2013, 563-576, hier 569-572; Bent Gebert, Mythos als Wissensform. Epistemik und Poetik des Trojanerkriegs Konrads von Würzburg, Berlin 2013, 484.

Köhner, Nordafrika, S. 190, 191;

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Letzte Bearbeitung:

04.03.2024 11:59


Cite this page:
https://tp-online.ku.de/einzelanzeige.php?id=2352 [zuletzt aufgerufen am 29.09.2024]

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